Aktuelles zum Neustädter Bahnhof
2018 erwarb ein Frankfurter Unternehmen von der Deutschen Bahn den Neustädter Bahnhof. Trotz des damals relativ günstigen Preises nahm die Kommune von einem Erwerb Abstand, da Sanierungskosten in Millionenhöhe für das Einzelkulturdenkmal aus dem Jahre 1850 zu erwarten waren und keine konkrete kommunale Nutzung für Gebäude und Güterschuppen anstand. Diese Position wurde seinerzeit einvernehmlich von den örtlichen Mandatsträgern mitgetragen. Noch zu gut waren bei vielen die Erinnerungen an das „Deutsche Haus“, welches die Stadt Neustadt erst nach einer langwierigen Suche an das Hessische Diakoniezentrum HEPHATA veräußern konnte. „Ein erneutes Fass ohne Boden wollten wir damals nicht. Zumal es vor sechs Jahren an einer konkreten Fördermöglichkeit fehlte“, erläutert Bürgermeister Thomas Groll.
Der Erwerber hinterließ damals bei den Kommunalpolitikern durchaus einen guten Eindruck. Im April 2019 stellte er den Stadtverordneten in öffentlicher Sitzung sein Konzept für das Anwesen vor und verwies auch gegenüber der Presse darauf, dass „er Bahnhof könne“. Angedacht waren etwa ein Bäcker und eine Möglichkeit morgens Wäsche abzugeben und sie abends sauber und gebügelt wieder mitzunehmen und günstige Übernachtungsmöglichkeiten beispielsweise für Fahrradtouristen.
Besagtes Unternehmen in Form einer Aktiengesellschaft hatte in jener Zeit übrigens mehrere Dutzend Bahnhöfe deutschlandweit angekauft.
Inzwischen weiß man leider, dass sich an allen diesen Standorten wenig bis nichts getan hat. Diesbezüglich stand Bürgermeister Groll mit zahlreichen Amtskollegen im Austausch. „Überall gab es zuerst tolle Ideen und warme Worte, nur an der Umsetzung hat es dann leider gehapert“, so Thomas Groll. „Wir glauben auch nicht, dass daran Corona schuld sein soll. Hier hat es einfach an einer guten Planung im Vorfeld gefehlt“.
Verschiedentlich äußerte der Bürgermeister in den letzten beiden Jahren den Gedanken, ob nicht die Kommune doch den Bahnhof erwerben solle. „Aus Gründen der Stadtentwicklung spräche vieles dafür. Das Gebäude verfällt immer mehr. Ein Bahnhof sollte eine der Visitenkarten einer Kommune sein. Zudem könnte man auf dem Bahnhofsgelände eine Mobilitätszentrale für Neustadt entwickeln, was vor dem Hintergrund der geänderten Verkehrspolitik sicher sinnvoll ist“, betont der Bürgermeister. Daher könnte er sich ein grundsätzliches Umdenken vorstellen, fügt aber zugleich mehrere „Abers“ an, denn die Kommune habe aus unterschiedlichsten Gründen nicht das Heft des Handelns in ihren Händen.
„Wir bräuchten ein Gesamtkonzept und dafür bedarf es Partner. Mit den Unternehmen der Deutschen Bahn sei dies ein herausfordernder und zeitaufwendiger Prozess, auch wenn das zuständige Bahnhofsmanagement in Gießen stets ein offenes Ohr für die Kommune hat.“
Seit fast drei Jahrzehnten befasst man sich in Neustadt beispielsweise mit einer Park & Ride-Anlage auf dem Bahnhofsgelände ohne Erfolge aufweisen zu können. Gegenwärtig will die Bahn nicht in vertiefende Gespräche bzw. konkrete Planungen eintreten, da im Zusammenhang mit anstehenden Arbeiten Eigenbedarf bestehe. An einer konkreten Zeitschiene fehlt es daher hier.
Auch fehlt es dem Neustädter Bahnhof an Barrierefreiheit. Hier gibt es zwar inzwischen die Aufnahme in das nächste Umbau-Kontingent, aber das kann leider 2030plus werden, sagt Groll. Immerhin habe die Bahn angedeutet, dass die Kommune für einen standardmäßigen Umbau dann nichts dazuzahlen müsse.
Mit Fördermitteln des Bundes und des Rhein-Main-Verkehrsverbundes hat die Kommune 2023 wenigstens moderne Abstellanlagen für Fahrräder errichtet, die gut angenommen werden.
Auch mit dem Bahnhofseigentümer steht der Bürgermeister in unregelmäßigem Kontakt. Dieser würde den Bahnhof inzwischen gerne veräußern. Wurden zunächst hohe sechsstellige Beträge bis zu 400.000 Euro hin gefordert, wird jetzt eher ein symbolischer Preis angedacht. Allerdings ist das Unternehmen kürzlich in Insolvenz gefallen und damit nicht handlungsfähig.
„Im Rahmen von KOMPASS Bahnhof haben wir im letzten Herbst mit der Bahn nochmals über die Zukunft des Gebäudes gesprochen. Heute veräußert das Verkehrsunternehmen aufgrund geänderter Geschäftspolitik keine Bahnhöfe mehr. Man ließ erkennen, dass man durchaus bereit sein könne, über einen Rückkauf nachzudenken, wenn die Kommune sich einbrächte. Dann kam aber das 60 Milliarden-Urteil aus Karlsruhe. Die Bahn ist hier wohl mit ¼ der Summe betroffen. Da ist momentan vieles offen und man bekommt aktuell keine Entscheidung, was ich aber nachvollziehen kann“, so Thomas Groll.
Nach den Worten des Neustädter Bürgermeisters weiß die Bahn auch noch nicht, ob sie einmal das Bestandsgebäude barrierefrei umbauen wird oder ob es nicht einfacher und günstiger sein wird, eine andere Lösung anzustreben.
„Hier bedarf es einer Entscheidung in 2024, damit wir weiterdenken können. Ein finanzielles Engagement der Kommune macht nur unter zwei Voraussetzungen Sinn: die Deutsche Bahn ist als größerer Partner mit im Boot und wir können gemeinsam eine tragfähige Förderkulisse aufbauen“, stellt Groll fest. In ein kaum zu überschauendes Risiko werde man als Kommune nicht gehen.
Eine andere Möglichkeit für Neustadts Bahnhof wäre natürlich, dass sich doch noch ein Investor findet, der mit Engagement an die Sache herangeht. Er würde sich dann, so der Bürgermeister, natürlich um aktive Unterstützung bemühen.
Vor einer großen Lösung wird es aber nur zunächst um Kleinigkeiten gehen. Bei einer kürzlichen Begehung des Gebäudes mit Polizei, Bahn und Bundespolizei wurde nach „Unsicherheitsquellen“ geschaut. In der Folge strebe man Verbesserungen an und natürlich war auch die Sauberkeit wieder ein Thema. Man habe seitens der Kommune die Bahn gebeten, öfters zu reinigen.