Verkehrskonzept Innenstadt und weiteres Fördergebiet "Sozialer Zusammenhalt" liegt vor - Vorstellung in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 18. September 2023
Im Rahmen des Städtebauförderungsprogrammes „Sozialer Zusammenhalt“ beauftragte die Stadt Neustadt (Hessen) die mociety GmbH Wiesbaden und das Planungsbüro VIA eG Köln ein Verkehrskonzept für das Fördergebiet mit besonderer Schwerpunktsetzung auf die Innenstadt zu erstellen. Beide Büros waren gleichzeitig auch mit der Erstellung eines sogenannten Nahmobilitätschecks für die gesamte Kommune befasst, der schon seit einigen Monaten vorliegt.
„Als örtliche Kommunalpolitiker wissen wir natürlich um etliche Stärken und Schwächen des Verkehrs vor Ort, aber wir sind keine Experten und oftmals ist der Blick von außen bereichernd und bringt durchaus neue Ansatzpunkte“, so Bürgermeister Thomas Groll.
„In der Vergangenheit haben wir sehr gute Erfahrungen damit gemacht, an wichtige Themen konzeptionell heranzugehen. Dies dauert dann zwar länger, aber wir haben eine fundierte Basis für spätere Maßnahmen und auch Fördergeber legen Wert auf entsprechende Ausarbeitungen“, betont der Rathauschef die Intention der Kommune für die Beauftragung von Verkehrskonzept und Nahmobilitätscheck.
Man habe diese Papiere sicher nicht für die Schublade erarbeiten lassen, sondern werde Schritt für Schritt an die Umsetzung gehen.
Als ersten Ausfluss des Nahmobilitätchecks werde die Kommune zudem für die Kernstadt und die Stadtteile auch noch ein Radverkehrs- und Fußgängerkonzept beauftragen. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf, so der Bürgermeister, habe bereits seit längerem einen Förderbescheid erteilt, auf jenen des Landes warte man noch, denn zuvor könne eine Vergabe an ein Planungsbüro erfolgen.
„Mir ist bewusst, dass manche eine schnelle Umsetzung der Vorschläge erwarten. Wir starten hier aber nicht zu einem Sprint, sondern eher zu einem Marathonlauf. Wenn alle drei Studien 2024 vorliegen, gilt es Prioritäten festzulegen und ein Zehnjahresprogramm zu erarbeiten“, so Thomas Groll.
Dabei sei es wichtig, die Bürgerschaft zu informieren und „mitzunehmen“. „In Marburg und Gießen erleben wir gerade, wie kontrovers Themen der Mobilität diskutiert werden, daher müssen wir selbst bei kleineren Veränderungen auf eine aktive Öffentlichkeitsarbeit setzen und bei Vorhaben, die strittig sein könnten, deren objektive Notwendigkeit vor Umsetzung erläutern“, betont der Bürgermeister.
Im September dieses Jahres soll bereits ein erstes Abstimmungsgespräch mit Hessen Mobil stattfinden. Dabei geht es dann auch um grundsätzliche Fördermöglichkeiten seitens des Landes für zukünftig anstehende Vorhaben. Im Blick auf die mittel- und langfristige Finanzplanung, so Groll, könne man hiermit nicht früh genug beginnen.
Ausgehend vom Verkehrskonzept und dem Nahmobilitätscheck will man verwaltungsintern nach kleineren Projekten suchen, die bereits 2024 in Angriff genommen werden könnten.
Das Verkehrskonzept, dass den Mandatsträgern dieser Tage zugeleitet wurde, wird in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 18. September 2023, 19 Uhr, im Kultur- und Bürgerzentrum öffentlich von Dipl.-Ing. Thomas Ernst (mociety GmbH) vorgestellt. Interessierte sind hierzu eingeladen.
Das Konzept enthält eine Bestandsaufnahme und -bewertung der aktuellen Situation insbesondere in der Neustädter Innenstadt. Dabei behandelt es Themenfelder wie ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, Barrierefreiheit fließender und ruhender Verkehr. Dabei werden Stärken und Schwächen aufgezeigt.
Auch enthält es aufgrund von Verkehrszählungen Aussagen zur derzeitigen Auslastung der Straßen des klassifizierten Netzes (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) in der Kernstadt Neustadt.
So wird die B 454 im Bereich der oberen Marburger Straße aktuell täglich von über 14.000 Kfz befahren, in der Querallee sind es knapp 8.000, in der Hindenburgstraße 8.400 und in der Bahnhofstraße etwa 10.000.
Hier wird es durch die Verkehrsfreigabe der A 49 voraussichtlich im Herbst 2024 zu deutlichen Reduzierungen kommen, während es in der Lehmkaute aufgrund der Anschlussstelle bei Speckswinkel eine Erhöhung des Verkehrsaufkommens von jetzt 4.300 Kfz/24 h auf etwa 6.000 geben dürfte, so zumindest eine Schätzung der DEGES.
Für den Innenstadtbereich ist es nach der Studie derzeit noch unsicher, wo und welche Veränderungen der Verkehrsströme zu erwarten sind. Allerdings halten die Planer eine Verkehrszunahme in der Marktstraße durchaus für realistisch, denn der direkte Weg zur Anschlussstelle ist für viele Verkehrsteilnehmer deutlich schneller als, der (Um-)Weg über Hindenburgstraße und Marburger Straße. „Mögen dies auch die Straßen des klassifizierten Netzes sein, die Autofahrer handeln pragmatisch, um schnell zum Ziel zu kommen“, so Groll.
Auch die Parksituation in der Kernstadt wird betrachtet. Hier wurden mehrere Zählungen durchgeführt. Die Verfasser der Studie kommen dabei zum Ergebnis, dass es genügend Parkplätze gebe und eine hundertprozentige Auslastung nie vorliege. Nicht ausschließen will man allerdings, dass die Parkplätze nicht immer an der richtigen, sprich zielnahen, Stelle seien. Man hält hier etwaige Wegstrecken aber für zumutbar.
„Wie die Situation in der Marktstraße sich entwickeln wird, wissen wir heute noch nicht. Eine Verkehrsberuhigung wäre aber wünschenswert. Die Verkehrsströme in Ringstraße und Schalkert sind selbst für innerstädtische Durchgangsstraßen sehr hoch. Hier fordern Anlieger zurecht Veränderungen ein“, erläutert Thomas Groll.
Auch mit diesen Fragestellungen befasst sich die Studie und schlägt mehrere Varianten zur Verkehrsberuhigung vor. Diese, so der Bürgermeister, müsse man nun genauer betrachten und vielleicht noch etwas „verfeinern“. Einen Vorschlag lehnt er aber bereits heute klar ab und geht davon aus, dass dies die Mehrzahl der Mandatsträger ebenso sieht: eine Sperrung der Marktstraße zwischen den beiden Einfahrten in die Bogenstraße. „Die Durchfahrbarkeit der Marktstraße muss bleiben“, sagt Neustadts Bürgermeister.
„Wenn wir aber Verkehrsberuhigungen wollen, muss es Veränderungen, Einschnitte geben. Dies können auch begrenzte Einbahnverkehre in manchen Bereichen sein. Hierüber werden wir nachdenken. Die Studie schlägt hierfür Verkehrsversuche zum Ausprobieren vor. Diesen Weg werden wir sicher gehen“, so Thomas Groll.
Solche Verkehrsversuche machten aber nach Auffassung der Verkehrsplaner erst etwa 6 Monate nach Freigabe der A 49 Sinn, denn dann habe sich der Verkehr auf die Autobahn eingespielt und es gebe repräsentative Ergebnisse. Das genaue Vorgehen werde hier noch abzustimmen sein.
Eine „Königslösung“ für den Marktplatz enthält die Studie nicht. Heute, stellt der Bürgermeister fest, sei dieser eher ein Parkplatz für anliegende Geschäfte und Gastronomiebetriebe. Er sehe die Erwartungshaltung der anliegenden Gewerbetreibenden, sei aber wie viele andere mit dem Erscheinungsbild des zentralen Platzes der Kommune „nicht so recht zufrieden“. Wenn man hier aber Veränderungen vornehme, müsste man Maßnahmen umsetzen, die zur Belebung des Marktplatzes beitrügen. „Nur sperren und sonst nichts ist, hier eindeutig zu wenig“, so Thomas Groll.
Nach der Vorstellung des Konzeptes in der Stadtverordnetenversammlung werden sich die Kommunalpolitiker und die Verwaltung sicher eingehend mit Ergebnissen und Vorschlägen befassen. Sie haben ausreichend Zeit, um nach passenden Lösungen zu suchen.