188. Tag der hessischen Landesgeschichte
Bereits 1834 wurde der Verein für hessische Geschichte und Landeskunde gegründet. Er hat sich die Erforschung der Regionalgeschichte unseres Bundeslandes, insbesondere aber des Kurfürstentums Hessen-Kassel und des hessischen Hinterlandes, zur Aufgabe gemacht. Der altehrwürdige Verein gliedert sich von Witzenhausen bis Biedenkopf und von Wächtersbach bis Schmalkalden, welches bis 1944 zu Hessen gehörte, in achtzehn Zweigvereine.
Alljährlich führt man den Tag der hessischen Landesgeschichte durch. Die 188. Zusammenkunft fand am 10. September 2022 in Neustadt (Hessen) statt. Bürgermeister Thomas Groll hatte den Vorstand eingeladen, das diesjährige Treffens aufgrund des Stadtjubiläums „Neustadt 750“ in der Junker-Hansen-Stadt durchzuführen.
Im Kultur- und Bürgerzentrum kamen rund achtzig Delegierte aus den Zweigvereinen zusammen und wurden zunächst von den „Flötentönen“ unter der Leitung von Christiane Krapp musikalisch begrüßt. Auch „Junker Hans“ Tom Streichert und die Burgfräulein Mona Henkel und Anna Mix hießen die historisch interessierten Gäste willkommen.
Neben den Vereinsmitgliedern waren auch Kreistagsvorsitzender Detlef Ruffert, Kreisbeigeordneter Klaus Weber, Albert-Frederick von Dörnberg, Stadtverordnetenvorsteher Franz-W. Michels, Erster Stadtrat Wolfram Ellenberg und der Schwalmstädter Stadtrat Armin Happel in das „KuBüZ“ gekommen.
Bürgermeister Thomas Groll zeigte sich in seinem Grußwort erfreut darüber, dass der 188. Tag der hessischen Landesgeschichte in Neustadt, der historischen Stadt im Marburger Land, stattfindet. Er skizzierte kurz die aktuelle Situation der Kommune und ging dann auf das Stadtjubiläum aufgrund der ersten urkundlichen Erwähnung Neustadts am 5.5.1272 ein.
„Das Motto „Neustadt gestern – heute – morgen“ wird in diesen Monaten mit Inhalt gefühlt. Im Heute, der Gegenwart, leben wir. Über das Morgen, die Zukunft, machen wir uns Gedanken. An das Gestern, die Historie, erinnern wir uns. Dabei haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Bleibendes zu schaffen. Daher haben Gerhard Bieker und Andrea Freisberg das Buch „Eine NEUe STADT entsteht“ verfasst und Dr. Lutz Münzer schrieb eine Abhandlung zum örtlichen Bahnhof „Eine kleine Station an einer großen Bahn“. Von Generation zu Generation wurde die Verantwortung für Geschichte und Zukunft der Kommune wie ein Staffelstab weitergegeben, dieser Aufgabe wollen und müssen wir uns auch heute stellen“, so Bürgermeister Thomas Groll.
In Vertretung von Landrat Jens Womelsdorf hielt Kreisbeigeordneter Weber ein Grußwort. Er dankte dem Verein für sein Tun und bescheinigte Neustadt eine reiche Geschichte und viele positive Entwicklungen in der Gegenwart.
Nach einleitenden Worten des Vorsitzenden Dr. Dirk Richardt und organisatorischen Hinweisen seiner Stellvertreterin Ruth Piro-Klein folgte der Festvortrag „Fachwerk – abbruchreif oder zukunftsträchtig“ von Prof. Dr. G. Ulrich Großmann. Der aus Marburg gebürtige Kunsthistoriker war von 1995-2019 Generaldirektor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Er publiziert seit langem Werke zur historischen Bauforschung, Architektur, Malerei, Buchkunst sowie Grafik, schreibt Reiseführer und ist als Herausgeber von Büchern tätig. Prof. Dr. Großmann war von 1982 bis 2006 Vorsitzender des internationalen Arbeitskreises für Hausforschung, ist seit 1992 Gründungsvorsitzender der Wartburg-Gesellschaft zur Erforschung von Burgen und Schlössern sowie seit 2005 stellvertretender Vorsitzender des Trägervereins Deutsches Burgenmuseum. Seit 1997 ist er wissenschaftliches Mitglied der Historischen Kommission für Hessen. Der Kunsthistoriker ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der "KunstBibliothek Köln", des Fachbeirats "Kirche in Franken" beim Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim und der Vereinigung Burgenstraße Thüringen und von 2012 bis 2016 war er Präsident des Comité International d’Histoire de l’Art.
Prof. Dr. G. Ulrich Großmann erläuterte anhand einer Beamer-Präsentation Besonderheiten des Fachwerkes in Hessen, Niedersachsen, Westfalen und Sachsen-Anhalt. Er betonte dabei, dass es gerade historische Bauten seien, die einer Kommune, einer Innenstadt, ihr unverwechselbares Gesicht geben.
Gerade in den späten 1960er und 1970er Jahren habe man das Fachwerk wiederentdeckt, aber auch viele Fehler bei der Restaurierung gemacht.
Der Referent ging auch darauf ein, dass die Nationalsozialisten Fachwerkgebäude dazu nutzen, ihre Ideologie zu untermauern indem sie Zeichen und Symbole „eindeutschten“.
Der international anerkannte Experte hatte auch Bilder aus Neustadt – Junker-Hansen-Turm, Haus der Vereine, Rathaus und Hist. Rathaus – in seinen Vortrag eingebaut um Besonderheiten des dortigen Fachwerks zu erläutern.
Nach der Mittagspause übernahm es Bürgermeister Thomas Groll die Mitglieder des hessischen Vereins für Geschichte und Landeskunde durch die Altstadt zu führen. Er verwandt dabei die Historie mit Gegenwart und Zukunft und ging auf künftige Ziele der Stadtentwicklung ein.
In der katholischen Stadtpfarrkirche gab es nicht nur Erläuterungen des Bürgermeisters zum romanischen Turm, dem gotischen Kirchenbau und dem barocken Hochaltar, sondern auch festliche Musik des „Trio Semplice“ (Wilfred Sohn, Karl-Joseph Lemmer und Michael Dippel) und von Volker Krapp an der Orgel.
Über den Markt- und den Schlossplatz ging es zum Junker-Hansen-Turm. Dort erwartete das Ensemble des Musicals „Nova Civitas“ die Gäste. Frauen, Männer und Kinder gaben unter der Leitung von Christiane Krapp trotz Regens mit Gesang, Tanz und Spiel einen Einblick in die Geschichte der Kommune. Gerade vor der historischen Kulisse von Rathaus und Turm wirkte dies sehr eindrucksvoll und Tobias Sollorz glänzte als (Ersatz-) Junker Hans.
Nicht nur Prof. Dr. Großmann zeigte sich anschließend im „runden Turm“ beeindruckt von der mittelalterlichen Baukunst der Handwerker.
Führung und Organisation fanden große Anerkennung der Gäste. Sonja Stark, Simone Michel und ihr Team sorgten für einen guten Verlauf der Tagung und die Verpflegung der Delegierten.
Den Besuchern gefielen die vorgestellten Bauwerke gut und mancher versprach Neustadt privat oder mit seinem Zweigverein zu besuchen.
Mit der Mitgliederversammlung im „KuBüZ“ endete am frühen Abend der 188. Tag der hessischen Landesgeschichte.