„Es werden wieder bessere Tage kommen …“
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
wenn ich in der vergangenen Woche das Motiv unseres ehemaligen 50-Pfennig-Stückes zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen machte und auch die heutigen Gedanken mit einem Abbild auf Münzen einleiten werde, so bin ich dennoch nie Münzsammler gewesen.
In früheren Zeiten habe ich vielmehr Briefmarken und Autogramme gesammelt. In einem dicken Album liegen bis heute fein säuberlich eingeklebt Fotos mit den Originalunterschriften von Max Schmeling, Fritz Walter, Inge Meysel, Heinz Rühmann, Franz-Josef Strauß, Erich Honecker (!) und vielen anderen bekannten Frauen und Männern aus Politik, Showgeschäft und Sport. Zur Goldenen Hochzeit von Oma und Opa schrieb ich 1988 übrigens rund dreißig Prominente an und fast alle antworteten damals mit freundlichen Zeilen.
Wie singt doch Angelika Milster im wohl bekanntesten Lied aus dem Musical „Cats“ von Andrew Lloyd Webber als „Grizabella“, die ehemalige Glamour-Katze: „Memory…“ – schöne Erinnerungen an vergangene Zeiten. Passend dazu kam mir ein Zitat des deutschen Dichters Jean Paul (1763-1825) in den Sinn, der einst schrieb „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können“.
Heute sammele ich übrigens gerne Circus-Programmhefte. Leider dürfte 2020 coronabedingt wohl keines dazukommen. Von Kindesbeinen an übt der Circus auf mich eine besondere Faszination aus: das Sägemehl der Manege, der Geruch der Tiere (trotz Allergie), die Späße der Clowns und das Können der Artisten. „Im Zirkus ist jeden Abend Premiere. Jeden Tag und vor jedem Publikum geht es ums Ganze, immer wieder das große Risiko, immer wieder die hohe Freude des Gelingens“, so beschreibt Carl Zuckmayer (1896-1977), aus dessen Feder u.a. „Der Hauptmann von Köpenick“ stammt, den das Hessische Landestheater hoffentlich im kommenden Jahr in unserem neuen Kultur- und Bürgerzentrum aufführen kann, treffend das Besondere dieses Kulturgutes.
Nun aber wieder zurück zu den Münzen.
Letzten Mittwoch konnten Sie an dieser Stelle von Gerda Johanna Werner lesen, der Dame auf dem 50-Pfennig-Stück. Der einzigen Frau, die in Deutschland bisher auf einer Kursmünze abgebildet wurde. Heute möchte ich unseren Blick auf jene Person lenken, deren Portrait so oft wie kein anderes auf Geldstücken und –scheinen, aber auch auf Briefmarken, zu sehen war und wohl noch einige Jahre sein wird. Ihr Monogramm lautet „ER II.“ – Elizabeth Regina II..
Königin Elizabeth II., die ewige Monarchin, eine Zeitzeugin des Jahrhunderts. Sie erlebte als Jugendliche den II. Weltkrieg, als junge Frau den Zerfall des britischen Weltreiches, später den kalten Krieg, bereits im Rentenalter den Fall des Eisernen Vorhangs und heute den „Brexit“.
Seit 1952 sitzt sie auf dem Thron des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland. Elizabeth II. sah in ihrer langen Amtszeit 16 britische Premierminister und alle (!) deutschen Präsidenten und Kanzler kommen und auch wieder gehen. Die Welt veränderte sich, aber die Queen blieb.
Sie überstand alle Skandale der „lieben“ Verwandtschaft, und das waren bis in unsere Tage hinein nicht wenige, mit stoischer Hofetikette. Noch als neunzigjährige nahm Elizabeth II. 2016 über 340 Termine wahr und in fast sieben Jahrzehnten besuchte sie in offizieller Mission 117 Staaten.
Die Queen macht keine Politik, aber durch kleine Gesten zeigt sie bisweilen schon, was sie denkt. Als sie in einer Thronrede, die jeweils vom Premierminister verfasst wird, den „Brexit“ verkünden musste, trug sie ein blaues Kleid mit Gelb und erinnerte so nach Einschätzung der Beobachter an die Europafahne. „Honni soit qui mal y pense“ – Ein Schelm der Böses dabei denkt. Dieser Ausspruch ist übrigens die Devise des englischen Hosenbandordens, dessen Souverän die Queen seit ihrer Thronbesteigung ist.
Elizabeth II. hielt zeitlebens Kurs. Bereits 1947 gab sie der Nation an ihrem 21. Geburtstag ein Versprechen ab: „Mein ganzes Leben, sei es kurz oder lang werde ich in Euren Dienst stellen.“ Daran wird sie sich zweifellos bis zu ihrem Tode halten und – sicherlich zum Leidwesen des ewigen Kronprinzen Charles – nicht abdanken. Ihre Mutter, die legendäre Queen Mum, verstarb übrigens im 102. Lebensjahr.
Als die Regierung in Großbritannien erkennen musste, dass die Corona-Pandemie auf der Insel ihr Unwesen viel schlimmer treibt als zunächst von Boris Johnson & Co. angenommen, bat man die Queen um eine Fernsehansprache, schließlich wird ihr die höchste Glaubwürdigkeit zugeschrieben. Dass Elizabeth II. zur Nation spricht, ist extrem selten – wenn man von den alljährlichen Weihnachtsansprachen einmal absieht. Reden dieser Art hat sie seit ihrer Krönung zuvor nur viermal gehalten. Historiker stellten unmittelbar nach der Ausstrahlung der Ansprache am 5. April 2020 fest, dass diese ohne Vergleich in der 68-jährigen Regentschaft der Königin sei und werteten die Rede als äußerst gelungene Reaktion auf herausfordernde Zeiten.
Elizabeth II. rief die Briten – und sicher nicht nur diese – zum Durchhalten auf und sprach den Menschen Mut in einer schwierigen Zeit zu. U.a. sagte sie: „Wir bekämpfen gemeinsam diese Krankheit. Es ist eine Zeit der Unterbrechung des Lebens in unserem Land. … Wir müssen dabei vereint und entschlossen bleiben. …“ Die Regentin verschwieg im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen nicht, dass es aufgrund der Corona-Pandemie enorme Veränderungen für alle im täglichen Leben gebe und sicher mancher auch in finanzielle Schwierigkeiten geraten werde. Sie schloss – wie ich finde – mit Mut machenden Worten: „Ich hoffe, dass in den kommenden Jahren alle stolz darauf sein können, wie sie auf diese Herausforderungen reagiert haben. Die, die nach uns kommen, werden sagen, dass diese Generation der Briten so stark war wie jede zuvor.“
Wenn verwundert es, dass diese Worte auf ein enorm positives Echo bei der Bevölkerung stießen. Ein englischer Verfassungstheoretiker schrieb schon im 19. Jahrhundert, dass es Hauptaufgabe des Souveräns, also des Königs, sei, die Nation zu repräsentieren und zu ermutigen. Chapeau – das hat die Queen hervorragend getan.
Mancher britische Historiker zog nach der Rede Parallelen zu einer Radioansprache, die Elizabeth 1940 als 14-jährige gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Margret hielt und die sich an die Kinder richtete, die wegen der deutschen Luftangriffe aus den Städten aufs Land gebracht werden mussten. Damals sagte sie einen bedeutungsvollen Satz: „Es werden bessere Tage kommen, an denen wir wieder vereint sind.“
Es werden bessere Tage kommen – dies ist auch ein Wort der Hoffnung und der Zuversicht für uns alle. Erste Schritte dazu wurden ja bereits beschritten. Ein Wort der Ermutigung gerade für die vielen von uns, die sich aus Verantwortungsgefühl an Auflagen und Empfehlungen halten und dafür für mich unverständlicherweise Häme von einigen ernten.
Der zweifellos nicht unumstrittene Chef-Virologe der Berliner Charité, Prof. Dr. Christian Drosten, hat in diesen Tagen mit Blick auf die Proteste gegen die verhängten Restriktionen auf das sogenannte „Präventionsparadox“ hingewiesen: der Erfolg der bisherigen Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie führt dazu, dass die aktuell bereits weniger strengen Herausforderungen in Frage gestellt werden und die Motivation zur Einhaltung sinkt.
Denken Sie bitte einmal darüber nach.
Ja, die letzten zwei Monate waren eine unglaubliche Bewährungsprobe für Gesundheitsapparat, Politik und Bevölkerung.
Ja, Corona stresst. Die einen, weil sie besorgt sind, die anderen weil sie genervt sind
Ja, Corona bleibt weiterhin eine Herausforderung.
Denken Sie nur an die kürzlich aufgetretenen Fälle in einer Gaststätte in Leer oder beim Gottesdienst in Frankfurt/M..
Unsere Devise muss daher auch weiterhin lauten: Umsicht, Vorsicht und Besonnenheit. Wenn wir uns daran halten, dann werden wieder bessere Tage kommen. Nicht nur in Großbritannien.
Bleiben Sie aufmerksam und gesund!
Thomas Groll
Bürgermeister